(Paris) Der französische Arzt und Buchautor Maurice Caillet, ein ehemaliger Freimaurer
und Meister vom Stuhl, der sich zum Christentum bekehrte, gab am 20. Februar dem
Internetradio Culturacattolica.it ein Interview über die Freimaurerei, deren subversives
Wirken und seine Bekehrung.
Caillet, Sohn atheistischer Eltern und von Jugend an erklärter Kirchenfeind, wurde 1969
im Alter von 35 Jahren in Rennes in eine Loge des Grande Orient de France aufgenommen.
Eine der ältesten und mächtigsten Logen. Er brachte es dort bis zum 18. Grad der
Rosenkreuzer. Er hatte damit Zugang zu den höheren Graden des Schottischen Ritus,
die den meisten Logenbrüdern der niederen Grade unbekannt sind. Caillet interessierte
sich für Okkultismus, Weiße Magie und Radiästhesie. Er gehörte in den 70er Jahren zu
den französischen Pionieren der Familienplanung, und setzte sich für die Verbreitung
von künstlichen Verhütungsmitteln und die Legalisierung der Tötung ungeborener
Kinder ein. Als Mitglied der Sozialistischen Partei und Freund von Staatspräsident
Mitterand konnte er als Stuhlmeister seiner Loge nach dessen Wahl ein explosionsartiges
Interesse an Logenmitgliedschaften erleben. Ebenso konnte der aufstrebende Meister d
en Einfluß der Logenbrüder in Politik, Medien, Wirtschaft und öffentlichem Dienst aus nächster Nähe erleben.
1984 begleitete er seine kranke Frau nach Lourdes, wo sein Leben eine radikale
Wendung nahm. Als er dort erstmals in seinem Leben einer Heiligen Messe beiwohnte,
hörte er eine „sanfte Stimme, die mich rief, und die weder die Stimme meines
Gewissens noch eine äußere Stimme war. Die Stimme rief mich bei meinem Namen
und sagte zu mir: Es ist gut, daß du mich um die Heilung deiner Frau bittest. Aber was
hast du mir zu bieten?“ In diesem Augenblick bot er sich selbst an. „Es war alles, was
ich zu bieten hatte. Nicht wenig für einen Atheisten, der 40 Jahre lang ein Kirchen- und
Priesterhasser war“, so Caillet in einem seiner Bücher über das Ereignis, das am
Beginn seiner Bekehrung stand. Heute ist er Ehrenmitglied der Alliance Vita, die sich
für den Schutz des ungeborenen Lebens einsetzt. Caillet engagiert sich heute auch
aktiv gegen Ehescheidung, Homo-Ehe, die Drogenfreigabe und die Euthanasie, da es „
die perfekte Ordnung Gottes zu verteidigen, gegen die PlänFreimaurern e der
zerstörerischen Freimaurerei“.
Caillets Bücher sind in Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und Polnisch
erschienen. In deutscher Übersetzung liegen sie nicht vor. Zum Thema Freimaurerei
verfaßte er unter anderem: Das Geheimnis der Logen im Lichte Christi (1998),
Hedonismus und Christentum (2001), Gott ist nichts unmöglich. Die Gabe der Heilung
(2002), Die Freimaurerei: Sünde wider den Geist? (2002), Okkultismus und Christentum.
Unterscheidungshilfen (2005), Katholik und Freimaurer: ist das möglich? (2008)
Was ist die Freimaurerei?
Maurice Caillet: Die Freimaurerei ist nebulös. Die Leute treten ihr aus den
unterschiedlichsten Motiven bei, so wie der Zweck ihres Beitritts vielfältig ist.
Was behauptet sie von sich selbst? Offiziell das Gute zu wollen und die Mensch
Freimaurern heit zu bessern. Die menschliche Vernunft mit ihren Projektionen und
ihren Rechtfertigungen ist eine Art von Gottheit für die Freimaurer.
Wie entstand sie?
Maurice Caillet: Der Mythos will, daß die spekulative Freimaurerei im 18. Jahrhundert
durch eine Weiterentwicklung aus der sogenannten „operativen“ Freimaurerei entsteht.
Der Mythos will (aber es gibt verschiedene), daß die moderne Freimaurerei der Erbe
der mittelalterlichen Baumeister der Kathedralen ist. Deshalb behaupten die Freimaurer,
von der Erbauung von Gebäuden zur „Erbauung der Welt“ übergegangen zu sein.
Und zwar durch Ideen, nicht praktisch.
Ist es wahr, daß die Freimaurerei mit dem Judentum verbunden ist?
Maurice Caillet: Das hängt davon ab. Es ist nicht leicht, das zu sagen. Es ist wahr, daß
im Inneren der Logen eine gewisse „Kompatibilität“ besteht zwischen der jüdisch-hebräischen
Ideologie, die eine völlig himmlische Hoffnung und der freimaurerischen Ideologie, die eine
völlig irdische Hoffnung vertritt. Für die Christen ist das anders.
In Wirklichkeit, das ist zu betonen, kommt der ideologische Impuls der Freimaurerei vom
Naturalismus, von der Naturrechtsphilosophie, vom Nominalismus und auch vom
Protestantismus. Wahr ist, daß die Freimaurerei auf die Durchsetzung einer Universalreligion
abzielt, das Judentum eines universalen Gottes. Auch in dieser Hinsicht gibt es eine gewisse Kompatibilität.
Wie kann man einen Freimaurer erkennen? Stimmt es, daß es untereinander Erkennungszeichen gibt?
Maurice Caillet: Ja, es gibt Zeichen. Es ist aber auch wahr, daß es eine Geheimhaltungspflicht gibt.
Deshalb ist man sehr vorsichtig, diese Zeichen gegenüber Unbekannten zu gebrauchen. Ich zum
Beispiel erfuhr öfter, daß jemand Freimaurer ist, weil er es mir sagte, als durch seltsame Erkennungsgesten.
Wie haben Sie die Freimaurerei verlassen?
Maurice Caillet: 1984. Ich war mit meiner schwerkranken Frau in Lourdes. Da ich nicht mit ihr in
die Becken konnte, ging ich zufällig in eine Krypta. Dort wohnte ich zum ersten Mal in meinem
Leben einer Heiligen Messe bei. Und ich hörte mich plötzlich persönlich von Christus gerufen.
Darauf – noch heute kann ich mir selbst diese Momente kaum erklären – ging ich nach der
Messe zum Pfarrer und bat ihn um die Taufe.
Wie reagierte die Loge, der Sie angehörten, auf Ihre Bekehrung?
Maurice Caillet: Als ich es in der Versammlung ankündigte (eine solche findet in jeder Loge
alle 15 Tage statt), … sehr schlecht, wirklich sehr schlecht. Niemand schaute mich mehr an.
Sie wußten nicht, was sie sagen sollten. Da habe ich die „Toleranz“ kennengelernt, die sich die
Freimaurerei so groß auf ihre Fahnen geschrieben hat, die sie ständig vor sich herträgt.
Für die Katholiken gilt sie nicht. Aber ich hatte mir das schon erwartet: Der Papst ist der
Feind Nummer Eins der Freimaurer.
Gibt es in Frankreich Katholiken, die Freimaurer sind?
Maurice Caillet: Ja, es gibt Katholiken, die Freimaurer werden …
Auch Priester und Bischöfe?
Maurice Caillet: Ob es freimaurerische Bischöfe gibt, weiß ich nicht mit Sicherheit.
Ich weiß aber, daß es Bischöfe gibt, die – man möge mir den Ausdruck nachsehen –
mit der Freimaurerei flirten und sich im Gespräch mit ihr befinden. Ich verstehe nicht,
was die Absicht, was das Ziel dabei sein soll …
Welches sind die Dinge, denen die Freimaurerei am meisten Aufmerksamkeit schenkt?
Maurice Caillet: Die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Vor allem zu den Themen,
die die Freimaurerei auf politischer Ebene voranträgt und die sie für wichtig für ihre Pläne hält.
Die Abtreibung: damals, als das Gesetz diskutiert wurde, wurde enormer Druck auf die
Medien ausgeübt, um die Meinung der Massen zu lenken, aber noch mehr Druck wurde
auf die Politiker der Rechten ausgeübt, die sich 1974 dann tatsächlich nicht mit Entschiedenheit
widersetzten, sodaß das Gesetz ohne Probleme durchging.
Heute sind die Themen: Homo-Ehe, Relativismus, Libertinage, Verhütungsmittel, Scheidung,
Hedonismus, Genußsucht, die Ablehnung des Leidens.
Der Mensch muß frei sein, sich dem Genuß hinzugeben. Das ist die Besserung der Menschheit,
auf die die Freimaurerei abzielt.
Welche Rolle spielen Okkultismus, Esoterik, Magie?
Maurice Caillet: Die Freimaurerei würde ohne Esoterik nicht existieren, sie ist eine Form
von Esoterik.
Und ihre Rituale haben alle mit Magie zu tun, mit der Beschwörung obskurer Kräfte, von der
Initiation angefangen.
Das Motto der Freimaurerei lautet liberté, égalité, fraternité, es dürfte Ihnen bekannt vorkommen.
Die Interpretation dieses Mottos ist aber nichts anderes, als eine Form der Nachäffung des Christentums.
Damals schon fragte ich mich manchmal, ob der Teufel in der Freimaurerei gegenwärtig ist.
Ja, er ist es. Ich selbst habe im Augenblick, als ich aussteigen wollte, diese Gegenwart gespürt.
Kann es zwischen Katholiken und Freimaurern Versöhnung geben?
Maurice Caillet: Es ist schwierig. Noch schwerwiegender aber ist, daß sich die Katholiken nicht
genau im Klaren sind, warum für sie die Mitgliedschaft bei den Freimaurern eine schwere Sünde ist.
Viele wissen es einfach nicht. Viele sagen, daß sich die Kirche seit 1983 nicht mehr geäußert hat und
daß die Exkommunikation aufgehoben worden sei. Es herrscht keine Klarheit.
Akzeptiert die Freimaurerei auch Atheisten?
Maurice Caillet: Das kommt darauf an: Der Großorient von Frankreich in der Theorie ja.
Die Nationale Großloge von Frankreich in der Theorie nein. Aber auch dort, wo dieser Große
Baumeister aller Welten gilt oder wo irgendeine Form von Glauben an Gott gefordert wird, spielt
Gott in Wirklichkeit keine Rolle. Deismus vielleicht.
Man spricht in der Freimaurerei von „Niederen Graden“ und „Hochgraden“, aber auch von einer
ausgeprägten Gleichheit unter den Logenbrüdern. Wie sieht es wirklich aus?
Maurice Caillet: Es ist sehr kompliziert. Der Großteil derer, die in die Freimaurerei eintreten,
hat nicht die geringste Vorstellung davon, was sie wirklich ist. Sie wissen einfach nicht, in was
sie sich hineinstürzen.
Die Freimaurerei unterteilt die Menschheit in zwei Gruppen: die Initiierten, also die Wissenden
und die Unwissenden. In Freimaurer und Nicht-Freimaurer.
Wer aber den Niedergraden, vor allem den drei ersten Graden angehört, hat nicht die geringste
Idee von dem, was in den Hochgraden geschieht.
Ein Lehrling weiß nicht, was die Gesellen tun, die Gesellen wissen nicht, was die Meister tun.
Deshalb sind jene, die den niederen Graden angehören, nicht viel mehr als Instrumente für die
Oberen. Was geschieht in den „Ateliers de perfectionnement“? Ein Lehrling weiß es nicht.
Was geschieht in der „Blauen Loge“, in der „Johannesloge“, in der „Grundloge“. Nur wenige
wissen, was geschieht. Der Unterschied aber ist enorm.
Ich hatte es bis zum 18. Grad geschafft. Von den Hochgraden weiß ich, daß vom 30. Grad
verlangt wird, die „Tiara der Päpste“ mit den Füßen zu treten.
Der Papst ist der Feind Nummer Eins. Das weiß in Wirklichkeit jeder, auch jene, die es
nicht sagen. Die katholische Kirche ist universal, hat einen Papst, der die Integrität des
Glaubens verteidigt. Eines Glaubens, der sich „der Welt widersetzt“. Die Katholische
Kirche ist der Feind der Freimaurerei.
Wird für die freimaurerischen Riten der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhoben?
Maurice Caillet: Ich war Chirurg, ein Arzt, und ich kann sagen, daß vom wissenschaftlichen
Standpunkt die freimaurerischen Riten einfach nur absurd sind.
Wie eng ist die Verbindung Freimaurerei-Politik?
Maurice Caillet: Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir in Frankreich mindestens 50 Minister
gehabt, die dem Großorient angehörten. Die derzeitige sozialistische Regierung zum Beispiel
ist freimaurerisch, sehr sogar.
Wir leben in einer Gesellschaft, die auf einer freimaurerischen, laizistischen Grundlage beruht,
der eine oder andere erleuchtete Intellektuelle schlägt vor, Weihnachten in ein „Fest der Freiheit“
oder ein „Fest der Kinder“ umzuwandeln. Die Freimaurererei steckt auch hinter solchen Plänen?
Oh ja. So wie sie zu meinen Zeiten hinter den Plänen zur Legalisierung der Abtreibung steckte.
Ich selbst habe Abtreibungen in der Bretagne durchgeführt. Ich war sogar der erste dort und trug
dazu bei, dieses Modell von „Fortschritt und Toleranz“ zu verbreiten. Und heute sind die Themen
jene, die wir jeden Tag sehen.
Stimmt es, daß Sie für die Bekehrung der Freimaurer beten?
Maurice Caillet: Jeden Tag. Viele Freimaurer sind Männer, die sich verirrt haben.
Sie haben sich auf der Suche nach Antworten über das Leben und ihr Schicksal verirrt.
Sie wissen nichts von Jesus. In Frankreich wissen heute nur mehr wenige etwas von Jesus,
so wie ich nichts von ihm wußte, und so wie ich landen viele in den Logen. Für sie bete ich.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Struktur und Grade der Freimaurerei/Hajo Naber